Thesen zur Wirklichkeitsbedeutung

Aktuelles

1) Ein wahres Wunder ist das, was nicht nur naturwissenschaftlich nicht erklärbar ist, sondern zudem auch nicht geglaubt werden muß. Die Naturwissenschaften erklären in der Welt, klären aber nicht die Welt. Sie sind so selbst ein Wunder.

I. Von mir aus

2) Ohne Sinnlichkeit, die bewußt werden kann, "gibt es" weder Welt noch mich.

3) Ohne Sinn, der immer einem gattungsmäßigen wie zeitlichen paradigmatischen Sinnhorizont zugehört, weiß das Bewußtsein nichts situativ Bestimmtes.

4) Ohne Umgangssprache, wenn auch nur zeichenhaft, die metasprachlich präzisierbar und entschlüsselbar ist, kann sich bestimmter Sinn nicht artikulieren.

5) Ohne Argumente, die bedingte und unbedingte Gründe spezifisch unterscheiden, kann umgangssprachliche Verständigung nicht rational überzeugen.

6) Ohne Selbstwiderspruchsfreiheit, die nur begründet falsifiziert, aber nie-mals endgültig verifiziert werden kann, bleibt alles zuletzt relativ und beliebig.
 

Wirklichkeitsachse

I. Begreifbarkeit

7)  Nur "Wirklichkeit" ist ohne Selbstwiderspruch nicht mehr hinterfragbar, weil das Unwirkliche entweder auch wirklich ist, oder sinnwidrig. Sie meint "alles".

8) "Wirklichkeit" als alles, ohne nichtssagend zu sein, meint immer schon dialektisch alle Wirklichkeit als je etwas Wirkliches.

9) Dialektische Wirklichkeit als alle Wirklichkeit in je etwas Wirklichem meint keinen Gegenstand, sondern die Idee alles Gegenständlichen, die begrifflich klärbar ist.

10) Wirklichkeit als begrifflich klärbare Idee meint die Totalität von Bedeutungen, die intersubjektiv kontrollierbar namentlich alles einzelne Wirkliche im je Wirklichen als Wirklichkeit möglichst vollständig und widerspruchslos zusammenfaßt.
 

II. Gewißheit

11) Wirklichkeit als intersubjektiv kontrollierbare Totalität ist bestimmt das Sein, das in einem identifizierbaren Sinn auch nicht, deshalb wahr und falsch sein kann.

12) Wirklichkeit als bestimmtes Sein, das an sich etwas ist, meint Sosein, das als Dieses oder Jenes identifiziert und voneinander unterschieden werden kann.

13) Wirklichkeit als eigenständiges Sosein im Wo, Wann, Warum und Wie meint Seiendes, das empirisch unterschieden für sich unterschiedlich komplex ist.

14) Seiende Wirklichkeit, die für sich selbst seiend ist, meint Dasein, das subjektiv unterschieden als je Entschwindendes so endlos komplex wie antinomisch bleibt.

III. Denkbarkeit

15) Wirklichkeit als bloßes Dasein, das bedingt rational begriffen, unbedingt aber als irrational hingenommen werden muß, meint Transzendenz, die, "transzendental" reflektiert, grundsätzlich Wißbares und Unwißbares getrennt vereint.

16) Wirklichkeit als Transzendenz, die Wißbares im Unwißbaren und umgekehrt ist, meint "in Wirklichkeit" die Transintelligibilität als eine Grenzhaftigkeit, die absolute Wahrheit der Wirklichkeit im Sein endgültig sinnwidrig macht.

17) Wirklichkeit als Transintelligibilität, die grundsätzliche Verborgenheit impliziert, verweist auf das mögliche "ganz Andere", das nur noch durch die unbedingte Negation alles Wirklichen indirekt sich einem Glauben, der kein Aberglauben mehr ist, andeutet, offenbart, aber nicht mehr intersubjektiv evident kontrollierbar.

18) Wirklichkeit als das mögliche "ganz Andere", das auch die unbedingte Negation nicht mehr zureichend beschreibt, meint die Unbestimmbarkeit der Wirklichkeit selbst als ein Mysterium, das, unerklärlich, aber selbstevident, positiv das eigentliche wahre Wunder ist, negativ in abgründiger Rätselhaftigkeit das Nichts.

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Von uns aus

19) Wirklichkeit als reflektiertes Wissen und Nichtwissen meint Grundwissen, das als Orientierungswissen die unbedingte Voraussetzung für grundsätzliche Verständigung, Vertrauen und Frieden in der Welt dann ist, wenn es, getragen von der Grundspannung zwischen Wirklichkeit und Wirklichem, kritisch bleibt.

20) Wirklichkeit als lebendiges Grundwissen konkretisiert sich bestimmt unterschieden in Seinsbegriffen, die analytisch aus der Totalitätsbedeutung der Wirklichkeit entwickelt und systematisch dargestellt werden können. Sie dienen vernünftiger Urteilskraft als generelles Mittel der Selbstvergewisserung, nicht aber als konkrete Antwort auf praktische Probleme.

21) Wirklichkeitsdefinition in "wertfreien" Seinsbegriffen ist als die Theorie aller Theorien selbst keine mehr, die zu praktischen Zwecken als regulative Idee strategisch verbindlich sein, oder als irgend eine normative Ethik praktische Verantwortung am Leitfaden des formalen Kategorischen Imperativs ersetzen könnte.

22) Allseitig erfahrene und unbedingt verantwortete Wirklichkeit steht in letzter Instanz in einer reflexiven Grundorientierung als Philosophie, deren ungeschütze Unbedingtheit selbstreflexiv immer auch eine Metaphysik ist, und deren Wirklichkeitsmächtigkeit nebeneinander durch Politik ermöglicht wird und umgekehrt.

23) Philosophisches Grundwissen als selbstreflektiertes Wirklichkeitsbewußtsein steht in der Tradition einer Aufklärung, die der Herrschaft von Magie, Mythos, Dogmatismus und Wissenschaftsideologie sich entzieht, um als kritische Allgemeinbildung, in unbedingter und zeitloser Gegnerschaft zum Bösen als der ständig drohenden Lüge im Setzen auf egoistische Gewalt, sich zu bewähren.
 

Historisches

24) Aufklärung, die als Allgemeinbildung im Namen von Wirklichkeit und Wahrheit sich im Kampf gegen Unbildung und das Böse weiß, ist Resultat eines geistes geschichtlichen abendländischen Paradigmenwechsels, der einmal die Ionischen Philosophen auf der Suche nach dem einen wahren Mythos zur Natur (physis) führte, Heraklit und Parmenides auf der Suche nach der einen wahren Natur zum Begriff (logos), Platon auf der Suche nach dem einen wahren Begriff zur Dialektik und  Kant auf der Suche nach der einen wahren Dialektik zu unbedingten Erkenntnisgrenzen. Auf der Suche nach der  Einheit und Wahrheit von Grenzen kommt man auf die Spur der Wirklichkeit. Was folgt danach?

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Anmerkung zur These 20.

Wirklichkeit als Seinsbegriff ist das Wirkliche, das sein kann. Was "ist", ist es entweder als Identifikation (=), als Prädikation, als Existenzbehauptung, als  Aussagebekräftigung oder, zusammenfassend, als eine Klassifikation, die ausdrückt, was etwas als etwas ist: Die Klassifikatiosnprämisse für Sein ist "Wirklichkeit", die als stets "etwas Wirkliches" immer etwas für etwas als etwas ist. Der Allbegriff für "Etwas überhaupt" ist, wie auch immer, die Welt, für das "Für-Etwas" das Subjekt, für "etwas" alsPrädikat die Intersubjektivität der Repräsentation und für das "Als-etwas" das Ereignis als Kontext. Wirklichkeit als Wirkliches "ist" immer eines von diesen und alle zu gleich in einer Bedeutungshierarchie, die in Seinsbegriffen als Seinssystem ausdifferenziert werden kann. In der Frage, "Wie wirklich ist die Wirklichkeit wirklich?", ist so elementar alles enthalten, was sich überhaupt fragen läßt. Die Vierfachheit der Letztprinzipien ist  im empirisch-reflexiven Sinn zwangsläufig und rational selbstwiderspruchsfrei. Sie war in der Antike schon einmal Gemeingut, ist vom Christentum aber in Analogie zur Trinität um eine Dimension vermindert worden: Mit Folgen!
 


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Letzte Änderung dieser Seite: 02.05.2003