Gegebenes als Unbedingtes und Grenze

Was gegebenes Wirkliches in seinem allgemeinsten transzendentalen Sinn, d.h. unbedingt und als Grenze, jeweils bedeutet, nennen wir "Ursprung".

Ist das Allgemeine so wirklich wie das Besondere?

Wenn es kein Allgemeines gäbe, gäbe es auch kein Besonderes.Wenn es kein Lebewesen gäbe, gäbe es auch keinen Menschen usw.Das Wirkliche ist beides, allgemein und besonders, so wie der Mensch beides ist: Mensch und Eigenperson.

Was ist das Gegebene als Letztes für uns?

Das letzte Gegebene ist als das einfach nur noch Hinzunehmende ein Ursprung, über den wir nachdenken können, über den wir aber nicht verfügen. Transzendental Gegebenes ist deshalb ursprünglich Gegebenes.

Wie zeigt sich im Letzten der Ursprung?

Im Suchen stoßen wir bei ihm auf das Unbedingte,im Verstehenwollen auf eine Grenze.

Wie finden wir das Unbedingte, einfach nur Hinzunehmende als Grenze?

Nicht, indem wir es unmittelbar auf uns wirken lassen, denn die Unmittelbarkeit ist nur für unsere Erfahrung ein letztes Gegebenes,die Erfahrung selbst dagegen hat Voraussetzungen, die wir erschließen können. Wir finden es, indem wir "ranszendental" das Allgemeinste zu denken versuchen, das kein Besonderes mehr ist.

Auf welchem Denkweg erfassen wir das unbedingt Allgemeinste als Grenze?

Indem wir die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit so lange stellen, bis wir zu Unbedingtem vorgestoßen sind. Weil wir mangels Überblick zum Unbedingten gedanklich nicht hinabsteigen können, müssen wir reflexiv verallgemeinernd zu ihm hinaufsteige und von ihm her den Überblick verschaffen..

Als was ist das Allgemeinste das Unbedingte?

Als das, was die Bedingung von Bedingungen ist. Unbedingt ist etwas, das bedingt, selbst aber nicht als bedingt deduktiv abgeleitet werden klann.

Inwiefern ist das Unbedingte Ursprung?

Insofern das Unbedingte keiner übergeordneten Bedingung sich fügt. Das Unbedingte muß als die Bedingung seiner selbst verstanden werden, auch wenn dieses Verstehen eigentlich ein Nichtverstehen ist.

Wie unterscheiden wir also Wirkliches als "letzte Gegebenheit". "Allgemeinstes", "Unbedingtes", "Grenze", " Ursprung"?

Wirklichkeit ist als etwas Wirkliches in der Welt letzte Gegebenheit, als Ereignis das Allgemeinste, im Denken das Unbedingte, für das Subjekt die Grenze und alles zusammen Ursprung, der Wissen und Nichtwissen bündelt.

Inwiefern ist die Wirklichkeit gewußter und ungewußter Ursprung zugleich?

Insofern die Wirklichkeit selbst Ursprung ist, handelt es sich dabei um die unbegreifliche Kreativität selbst, durch die uns die mannigfache Vielfalt im Dasein geschenkt ist. Wir wissen nicht, wie dieser Ursprung möglich gewesen ist und ob es dafür einen Schöpfer gibt. Alles, was wir vermögen, ist, uns des Ursprünglichen zu vergewissern.

Was versteht man unter "Vergewisserung des Ursprungs"?

Wir können über die Bedingungen der Möglichkeit von Ursprünglichkeit uns Gedanken machen, das geschieht in Mythologie, Religion, Dichtung und philosophischen Spekulationen. Wir können aber auch das Ursprüngliche transzendental so zu begreifen suchen, daß alles Wirkliche in seiner besonderen Ursprünglichkeit sichtbar wird.

Wie kann Ursprüngliches Sichtbar werden, wenn der Ursprung ein Geheimnis ist?

Wir können das Geheimnis nicht lüften, nur in seiner Verborgenheit beim Namen nennen. Indem wir die gegebene Wirklichkeit als Ursprung überhaupt von Wirklichem explizieren, verdeutlichen wir ursprünglich Gegebenes als Grenze, So wie die Wirklichkeit selbst für unser Erkenntnisvermögen die Grenze überhaupt ist, so ist sie selbst die Grenze für alles, was durch sie möglich ist.

Wie kann Ursprung Grenze sein?

Indem die Letztheit von Gegebenem in ihrer Letztheit für uns transparent wird, so die Wirklichkeit in ihren Letztbedeutungen, das Wirkliche in seinen Wirklichkeitseigenschaften. Wirklichkeit als wirkliches denken heißt Ursprünge als Grenzen von Wirklichkeit für uns freilegen.

Sind Ursprünge als Grenzen Ursprünge an sich oder nur für uns?

Sie sind als Bedeutungen Ursprünge für uns, weil wir die Kreativität von Kreatürlichkeit im Wirklichen damit nicht direkt erfassen können. Sie sind aber doch auch Ursprünge an sich, weil wir ihre Bedingung der Möglichkeit überhaupt auch nicht in Rückführung auf bestimmte Kreatürlichkeit verständlich machen können. Naturgesetze z.B. sind keine Ursprünge dafür, daß es bestimmtes Wirkliches gibt. Sie sind aber in ihrer Gegebenheit auch nicht von bestimmtem Wirklichen ableitbar und können nur als Grenzen beschrieben werden, innerhalb derer sich die Wirklichkeit unter ganz bestimmten Voraussetzungen ihr Wirkliches preisgibt.

Was heißt demnach Ursprungsdenken?

Ordnende Vergewisserung letzter Ursprünge als unbedingte Grenzen für uns einerseits, und vertiefender Umgang mit dem Wirklichen in Besinnung und Umsicht.

Was wäre z.B. Vergewisserung von und Besinnung auf Unbedingtes und Grenzhaftigkeit im Blick auf "Welt" ?

Welt vergewissern wir uns als unbedingt und Grenze, indem wir uns bewußt machen, daß alles Welt ist und nur die Wirklichkeit überhaupt auch außerweltlich sein kann. Wir besinnen uns auf die Welt, wenn wir ihren Schöpfungscharakter erinnern und ihre Wirklichkeitseigenschaften im Umgang mit ihr bedenken.

Wie aber kann Ursprungsgewißheit sich ausweisen?

Wirkliches Gegebenes muß widerspruchslos sich als das unbedingte Allgemeinste ausweisen. Der Satz des Widerspruchs ist insofern ein ausgezeichneter Ursprung,

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HISTORISCHES:

Ursprünge wurden im magischen Denken als das Übermächtige der Natur, dem man ohnmächtig ausgeliefert ist, mehr oder weniger passiv hingenommen, im mythischen Denken mit einem Göttlichen in Zusammenhang gebracht, mit der Achsenzeit (Jaspers) und der Frage nach dem einen wahren Mythos mit je einem bestimmten allgemeinen Prinzip in Verbindung gebracht. Für Thales war es das Wasser, für Empedokles waren es die vier Elemente, für Demokrit die Atome. Als Heraklit und Parmenides den Logos als den Ursprung ins Spiel brachten, blieb offen, welcher Logos gemeint war: Er stellte sich ja vielfältig dar und bezeichnete Mannigfaltiges. Platon entdeckte auf der Suche nach dem Ursprung des Logos die Dialektik und konnte zeigen, daß unterschiedliche Logoi auf allgemeinere Ideen zurückgeführt werden konnten, von denen her Ganzes als eine Einheit erschien. Ihm blieben die Ideen des Wahren, Guten und Schönen als die unbedingt gegebenen Ursprünge, von denen her und auf die hin alles verständlich werden konnte und sollte. Aristoteles versuchte in seiner Physik, Platons Ideen als ursprüngliche Substanzen zu denken, stellte aber daneben in der sogenannten Metaphysik eine Liste von unhintergehbaren Aporien und Letztbegriffen zusammen, die auch noch dem Denken der Substanzen vorausliegen sollte und somit eine zweite Art von Ursprüngen kreierte, die Erkenntnischarakter hatten.

Nachdem mit dem Christentum Gott als das Ursprüngliche überhaupt rehabilitiert worden war, akzeptierte man das Ursprüngliche in doppelter Gestalt: Auf der einen Seite stand der transzendente Gott, für den die Theologen zuständig waren, und auf der anderen Seite seine Schöpfung, mit der sich die Philosophen und mehr und mehr auch die Wissenschaftler beschäftigten. Descartes, Leibniz und Spinoza versuchten noch einmal die Ursprünge auf Substanzebene zu klären, in der angelsächsischen Tradition suchte man sie seit Roger und Francis Bacon in der Erfahrung. Am Ende klärte Kant den Streit, indem er Ursprünge kurz und bündig zu Grenzen unseres Erkenntnisvermögens erklärte, ohne in diesem Zusammenhang aber zu übersehen, daß das Erkennisvermögen selbst nicht der Ursprung dessen ist, was ihm gegeben ist. Nach Kant ist das Denken der Ursprünge zweideutig geworden: Einerseits verführte der Erfolgsfortschritt der modernen Naturwissenschaften zu einer regelrechten Entlarvungskampagne sogenannter metaphysischer Spekulationen und apodiktisch behaupteter Ursprünge des Reflektierens: Schließlich schien es im zwanzigsten Jahrhundert mit der Machtergreifung der angelsächsichen analytischen Philosophie so, als ob jede Ursprungsbehauptung reduktiv auf eine intersubjektive Regelungsinstanz verwiesen werden könnte, von der her sich das angeblich unbedingte Ursprüngliche als das bedingt Abhängige erwies.

Von einer entgegengesetzten Seite her wurden wissenschaftlich, besser: pseudowissenschaftlich, Ursprünge auf innerweltliche Verursachungen oder Bedingtheiten zurückgeführt. Die Biologen begannen, alles Ursprüngliche von den Überlebenskräften der Gattungen abzuleiten, die Psychologen von angeborenen oder erworbenen Denkparadigmen, die Soziologen von einem konservativen Klassenbewußtsein, die Historiker von zeitgeschichtlichen Hauptinteressen usw. Bis hin zur Postmoderne hatten Ideologiekritiker Hochkonjunktur, die in der einen oder anderen Weise einem Ursprungsdenken glaubten den Spiegel vorhalten zu dürfen. Meistens war das auch insofern berechtigt, als es sich bei den gelegentlich immer noch behaupteten Ursprüngen lediglich um vordergründig behauptete Gegebenheiten handelte, die sich leicht hinterfragen ließen. So etwa bei Husserls Phänomenen, die immer nur als vermittelt wahrgenommen werden können, nie in Letztpräsens vorliegen, wie Husserl doch behauptete. Und so auch in Apels Transzendentapragmatik oder der universalen Diskursphilosophie von Habermas, (der mit Adorno selbst einmal gegen die "Ursprungsphilosophie" von Husserl Front gemacht hat) die Argumente glaubten präskriptiv in einem normativen Procedere einbinden zu können. Die Postmoderne hat mit den transzendentalen Ansprüchen sowohl der Phänomenologie als auch der Diskursphilosophie so gründlich aufgeräumt, daß gegenwärtig von Ursprüngen nicht mehr die Rede ist.

Als Heidegger in "Verwindung" der Ursprungsphilosophie seiner phänomenologischen Herkunft versuchte, in den Ursprung aller Ursprünge, das Sein des Seienden, hineinzudenken, geschah das um den Preis eindeutig beschreibbarer Bedeutungen. Heideggers virtuoser Umgang mit der Sprache gelang es nicht, Ursprünge zu klären. Stattdessen projizierte er das Ursprüngliche in eine angebliches Seinsgeschehen, dem die gegenwärtige Menschheit fatalistisch unterworfen sei: "Nur noch ein Gott kann uns helfen".

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Letzte Änderung dieser Seite: 07.06.2003