Im Folgenden erhalten Sie Hinweise darauf, welche Hilfe Ihnen ausdifferenzierte Wirklichkeitsbegriffe bei Ihrem eigenen Umgang mit der Wirklichkeit und dem Versuch, das Ganze sich verständlich zu machen, weitestmöglich bieten können. Denn das Leben selbst ist in jedem Augenblick die konkrete Antwort auf die Wirklichkeitsfrage, abstrakte Begriffe sagen nur, was wir bedeutungsgemäß immer schon unterstellen, wenn wir Sinn deuten. Ihre Deutung ist Sache der Metaphysik. Metaphysik ist die Philosophie, in der Forschung, Orientierung, Klärung und Klärung zu einer Synthese kommen.
Metaphysischer Umgang mit der Wirklichkeit im Begriff ist der Versuch, sie im unterschiedenen Sein, d. h. im Sosein systematisch und vollständig zu beschreiben. Umgekehrt eröffnet Metaphysik aber auch die Räume einer Wirklichkeit, die viel mehr ist als bloßes Sosein, nämlich: Seiendes, das zu je seiner Zeit existiert, Dasein, das mir alles Seiende präsentiert, Transrealität, in der ich mich im Dasein finde, Transzendenz, die Transrealität begründet, Transintelligibilität, die den Kern der Transzendenz ausmacht, das Mysterium, das diese Transintelligibilität verbirgt und das Paradox, das in letzter Instanz die Wirkliochkeit für endliche Erkenntnis bedeutet.
Prinzipiell läßt sich kein allgemeiner Terminus denken, der nicht in der Konsequenz einer systematischen Wirklichkeitsexplikation seine begriffliche Definition im Medium des Soseins finden könnte. Was vorliegend noch nicht erfaßt ist, muß es bei genügend umfassender Ausdifferenzierung dennoch.
Wirklichkeit im Medium des Soseins ist aber nur eine Abstraktion dessen, was sich dadurch generell simulierend angeben, niemals aber adäquat realisieren läßt. Eigentliche Wirklichkeit läßt sich als Sosein nur indirekt verallgemeinernd als Seiendes, Dasein, Transrealität, Transzendenz, Transintelligibilität als ein Mysterium sinnhaft pardoxal zusammenfassend nennen, nicht mehr aber konkret jeder Wirklichkeitsdimension gerecht werdend sachentsprechend erfassen. Alles zusammen aber erst "ist", dh. meint umfassend die ganze Wirklichkeit.
Da Wirklichkeit als Ganzes in Begriffen nur zu Zwecken der Verständigung zerlegt wird, nicht aber schon inhaltlich gedeutet, handelt es sich bei der Begriffsanalyse analog Kants Kritischer Transzendentalphilosophie lediglich um eine vorgängig konsensstiftende Sinnklärung, noch nicht um das eigentliche Resultat, das ein umfassendes reflexives Wirklichkeitsverständnis anstrebt. Ein allumfassendes Wirklichkeitsverständnis müßte vielmehr allen Wirklichkeitsdimensionen adäquat gerecht werden könne, was jede Begriffskompetenz überschreitet.
Im einzelnen wird Wirklichkeit deshalb nur dann zureichend verstanden werden können, wenn sie von ihren weltlichen, ereignishaften, subjektiven und intersubjektiven Eigenschaften her so begriffen wird, als ob alles zusammen bedeutsam wäre. Für Wirklichkeit gibt es keinen privilegierten Zugang. Alle Wirklichkeitszugänge wirken so zusammen, daß sie sich gegenseitig behaupten müssen.
Weil Wirklichkeit aber nicht mehr an und für sich als einzelnes Wirkliches als es selbst identifizierbar ist, muß genauer angegeben werden, in welchem Sinn von "Wirklichkeit" in letzter Instanz die Rede ist. Als das Insgesamt der Welt ist die Wirklichkeit das, was a) wissenschaftlich erforschbar ist (Welt), b) als Ereignis alles, was sich in der Vergangenheit abgespielt hat und für die Zukunft abspielen wird (Ereignis), c) was intersubjektiv alles "wahr" sein kann (Intersubjektivität) , d) was subjektiv alles überhaupt zugänglich und gültig ist (Subjekt) und schließlich e) was alles zusammen zu einer Einheit bringt (Sein).
Wirklichkeitstotalbilder hätten zusammenfassend der weltlichen, ereignishaften, intersubjektiven und subjektiven Zugänge zur Wirklichkeit so gerecht zu werden, daß jede Eigendimension zur vollen Entfaltung käme. Das ist nur möglich, wenn a) von der Welt her alles erfaßt werden soll, oder b) vom Ereignis her, c) der Intersubjektivität oder d) der Subjektivität. Wenn alles zusammen kommt, haben wir es mit der Wirklichkeit an und für sich zu tun, wie sie e) allem zugrunde liegt. Wirklichkeit an und für sich ist immer alles das, was Wirklichkeit möglich macht.
Zusammenfassende Wirklichkeitssuche , die sich nicht von vornherein im Unbestimmten von Wirklichkeit überhaupt verlieren oder verirren will, bewegt sich immer schon im Medium von etwas Wirklichem überhaupt, also von Welt. Ereignis, Intersubjektivität, Subjektivität oder Sein. Wirklichkeit wird dann erschlossen, indem zu den jeweiligen Grenzen des Etwas vorgestoßen und über diese hinaus transzendiert wird zu den unbedingten Voraussetzungen von a) der ganzen Welt als Schöpfung, b) der Ereignishaftigkeit überhaupt als dem Insgesamt aller kommenden Möglichkeiten, c) der Intersubjektivität als das Insgesamt alles identischen Wahrseinkönnens, d) der Subjektivität als das Insgesamt dessen, was ich selbst in letzter Instanz bin und e) des Seins als das Insgesamt der Einheit aller unbedingten Ursprünge, die nur von Gott her zureichend verstanden werden könnten.
Wirklichkeitssuche im Medium des Seins ist Wirklichkeitsspekulation als Gedanken a) über den Schöpfungsursprung und -hintergrund, b) das Ereignisziel überhaupt "am Ende aller Tage", c) die absolute Wahrheit an und für sich, d) über das Jenseits nach dem Dasein, e) über das Geheimnis der Wirklichkeit in letzter Instanz, das allem zugrunde liegt. Im Wirklichkeitsbegriff ist all dies auf einer intersubjektiv evidenten Ebene formal ausweisbar wie auf einer Landkarte, aus der die theoretische Orientierung gewonnen werden kann, die allein praktisch ihre Erfüllung findet.
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In strikter formaler Orientierung am Wirklichkeitsbegriff läßt sich größere Sicherheit über die Voraussetzungen gewinnen, die wir immer schon machen, wenn wir mit Begriffen umgehen. Im Medium des Wirklichkeitsbegriffs selbst läßt sich eine Wirklichkeitsspekulation durchführen, die allein den Instrumenten gilt, die wir gebrauchen, wenn wir gedanklich zur Sache gehen.
1) Analytisch/Formales
Wirklichkeitsspelulationen im Medium des begrifflichen Soseins sind Deutungen einer Wirklichkeitslandkarte, die Ortsnamen enthält, die veranschaulicht werden müssen, um Landschaftsschilderungen sein zu können. Eine zutreffende Kartenschilderung impliziert nicht nur mögliche Landschaftsschilderungen, sondern auch beliebige Landschaftsvergleiche.
Es lassen sich auf jeder horizontalen Ebene weitreichende Parallevergleiche herstellen, es lassen sich aber auch vertikal die Achsenschienen vertiefen, überall Symmetriebetrachtungen erstellen, Extrapolationen von beliebigen Punkten aus scheinwerferartig entwerfen. Der vergleichende System- und Begriffsumgang wird immer wieder auch semantische Ungenauigkeiten und übersehene Doppeldeutigkeiten aufdecken, so daß begriffliche Landschaftsinterpretationen stets auch als Kartenkontrollen ihren Dienst erweisen.
In konkreten philosophischen oder wissenschaftlichen Grundlagendebatten können mit Hilfe der Begriffslandkarte Klärungen durchgeführt werden, um Mißverständnisse zu beseitigen und konsistenten Wortgebrauch einzuklagen. Als philosophische Metasprache par excellence stiftet diese Landkarte den Grundkonsens, ohne welchen unbedingte Diskurse keine gemeinsame argumentative Basis haben. Bei wissenschaftlichen Verallgemeinerungen oder schulphilosophischen Verengungen kann ein Blick auf d ie Begriffslandkarte der Wirklichkeit helfen, ideologische Ortsbestimmungen vorzunehmen und Ansätze für argumentative Vermittlungen zu finden. Die analytische Verfaßtheit der Wirklichkeit dient als der Horizont, von dem her gesehen formale Logiken ihren Sinn und Ort bekommen. Es handelt sich um das Reich der reinen gedanklichen Schlüssigkeiten.
2) Empirisch/Investigatives
Da jeder Einzelbegriff Bezug zu einer erfahrbaren Realität hat, lassen sich über einen jeden als zusammenfassende idealisierende Kennzeichnung je konkreter emprischer Mannigfaltigkeiten Überlegungen über die Genauigkeit der Typologie und Gültigkeit des empirischen Bezugs anstellen.
In dem Maße, wie es gelingt, den grenzbeschreibenden Wirklichkeitsbegriff mit der Faktizität der Wissenschaften so zu vermitteln, daß sich wechselseitig zwangloser Konsens einzustellen vermag, kann ein interdisziplinäres Denken befördert werden, das einmal wissenschaftsgeschichtlich, zum anderen wissenschaftlich-synoptisch die Welt als eine Einheit zu begreifen sucht.
Wenn analytische Grenzbegrifflichkeit der Wirklichkeit sich auf der Höhe ihrer Zeit mit der Front der wissenschaftlichen Forschung trifft, kann es gelingen, ein plausibles Weltbild fortzuschreiben, das in dem Maße vorwärtsgerichtet bleibt, in dem es sich dem geschichtlichen Anspruch gewachsen zeigt, für Kritik und Kontrolle der Realität offen bleibt und bei allem sich an Ideen orientiert, die argumentativ begründet im Namen von Wahrheit und Freiheit offensiv sind.
3) Semantisch/Vergleichendes
Weil im System jeder Begriff von etwas Wirklichem namentlich nur einmal unverwechselbar vorkommen kann, handelt es sich um eine schöpferische, prinzipiell nie ganz vollendbare Aufgabe, im jeweiligen spezifischen Unterschied zu allen denkbaren Alternativen einzelne Begriffsnamen zu finden, zu begründen und zu verteidigen. Je differenzierter dabei das Begriffsbild, umso schwieriger das Herausfinden namentlicher Einzigartigkeit.
Das Ringen um die korrekte Benennung des Wirklichen ist an Umgangssprache gebunden, berücksichtigt etymologische Entstehungszusammenhänge, setzt sich mit terminologischen Fachbezeichnungen auseinander, korrigiert subjektive Vorurteilsmeinungen und konstruiert am Ende eine konsensfähige Definition, die als philosophische Bedeutung eines bestimmten Terminus deshalb bezeichnet werden darf, weil er eben im wahren Sinn des Wortes "in Wirklichkeit" begründbar ist.
Wenn philosophische Bedeutung der Wirklichkeit im Sprachgebrauch von Wörterbüchern und Veröffentlichungen vorkommt, dann handelt es sich dabei um um den Niederschlag latent wirksamer Geistestraditionen. Was so umgangssprachlich einem natürlichen Kommunikationsgefälle überantwortet ist, von Philologen vergleichend verwaltet, von Kulturschaffenden kreativ weitergebildet wird, bekommt im Zusammenhang der Wirklichkeitsanalytik einen vernünftigen Orientierungsrahmen, der für jedermann verbindlich nachvollziehbar im weitesten Sinn die Voraussetzungen dafür klärt, daß wir überhaupt Identisches meinen können. Was "in Wirklichkeit" so oder so ist, zeigt sich in der Wirklichkeitsanalytik als das, was es auch "inWahrheit" , weil "in Wirklichkeit" überhaupt, ist.
4) Phänomenologisch/Beschreibendes
Weil jeder Wirklichkeitsbegriff eine unbedingte Grenze markiert, handelt es sich dabei um Letztphänomene, die beschreibbar und in unterschiedlichen Kontexten deutbar sind. Wie bei jeder anderen Grenze auch implizieren sie subjektiv eine direkte Aufforderung zur erzählenden Beschreibung und Auseinandersetzung. Was z.B. die "Welt", das "Ereignis". "Subjektivität" und "Intersubjektivität" bedeuten, ist nicht nur Gegenstand fortlaufender Zusatzbedeutungen, sondern auch von meditativen Betrachtungen.
Was als ein Begriff "in Wirklichkeit" und "in Wahrheit" grenzziehend für andere Wirklichkeitsbegriffe analytisch zu gelten hat, kann zum Gegenstand individualisierender und vergleichender Vertiefungen gemacht werden. Historisch können Begriffsentwicklungen beschrieben und Begriffswirksamkeiten rekonstruiert werden. Logisch kann man die Bewußtsseinsstufen nachzeichnen, die bestimmte Begriffe weltbilderzeugnd begleitet haben usw..
Wenn analytische Grenzbegrifflischkeit der Wirklichkeit sich Phänomenen in letzte Instanz stellt, ergeben sich unvermeidlich Anknüpfungspunkte zu sämtlichen Bereichen kultureller, meditativer, vor allem auch künstlerischer Aktivitäten. In dem Maß, wie die Grenzhaftigkeit von Grenzen unmittelbar bewußt wird, in dem Maß wird auch die schöpferische Phantasie des Geistes herausgefordert, die diese Grenzen zu überwinden sucht. Das philosophische Klären wird zur Kritik und von da zum Grenzdenken.
5) Dialektisch/Spekulatives
Weil Wirklichkeitsbegriffe stets nur einen Sinn im Gesamtzusammenhang haben und Wirklichkeit als solche immer eine je bestimmte Wirklichkeit ist, besteht die eigentliche Interpretationsaufgabe in der Aufgabe, das unendlich unterschiedene bestimmte Wirkliche mit der unbegreiflich universalen unbestimmten Wirklichkeit in Einklang zu bringen. Die eigentliche Interpretationsaufgabe der Wirklichkeit bezieht sich auf das korrekte Verständnis des Ganzen.
Die ganze Wirklichkeit wird immer mittels Begriffen, niemals zureichend in einem bestimmten Begriff gedacht. Je mehr dabei das Ganze in den Mittelpunkt rückt, um so mehr verwandelt sich dabei die Denkeinstellung: Wenn es noch in der Verständigung nur um das Sosein bestimmter Begriffszusammenhänge geht, im präzisierenden Diskurs um das Seiende bestimmter empirischer Sachverhalte, im Philosophieren schließlich um die Letztgegebenheiten des Daseins, dann hat das metaphysische Denken die Realität schlechthin in ihren Grenzen vor Augen, das Transzendieren die Realität als Transzendenz, der Glauben die Transzendenz in ihrem Letztsinn für Existenz, die Mystik die Transzendenz als Mysterium und schließlich die Religion das Mysterium in seiner hinzunehmenden Paradoxie.
Wenn analytische Grenzbegrifflichkeit der Wirklichkeit die intersubjektiv evidente Basis dafür ist, das Ganze zutreffend denken zu können, dann handelt es sich in letzter Instanz um einen gedanklichen Kreisgang, der von der unhinterfragbaren Wirklichkeit anfangend über das Dasein, das philosophisch die Unhinterfragbarkeit auf den Punkt bringt, zum expliziten Paradox zurückführt, das nur noch irrational, d.h. religiös in einem so oder so bestimmten Sinn hingenommen werden kann.
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