Seinsdefinitionen

Der Begriff sagt, was etwas "ist". Begriffe sind Seinsdefinitionen. Diese Formulierung stößt auf Unverständnis, wo Sein strittig" begriffen" wird.

Aber was ist etwas?

Das, was es so ist, daß es mit anderem unverwechselbar ist

Das heißt also seine genaue Bedeutung!

Gewiß, aber nicht nur. Wir können etwas "Guten Abend!" sagen, oder "Schaut mal" und beide Male in einem bestimmten Kommunikationszusammenhang die Bedeutung ganz genau verstehen. Und doch sind keine Ausdrücke keine Begriffe.

Aber Wirklichkeitsbedeutungen waren doch für Seinsbestimmungen die Voraussetzungen!

Das ist auch richtig, und insofern zur Intersubjektivität der Sinn dazugehört, haben natürlich Begriffe auch immer etwas mit Bedeutungen zu tun. Aber Begriffe sind keine Bedeutungen und Bedeutungen müssen keine Begriffe sein, sie können es.

Was heißt: "Begriffe sind keine Bedeutungen und umgekehrt"?

Bedeutungen sind in Spache ausdrückbarer Sinn. Wenn ein Hund etwa eine Duftmarke verfolgt, dann hat das einen Sinn für ihn, der biologisch verankert ist. Die genaue Bedeutung dieses Sinnes verlangt dann eine Beschreibung, und eine solche setzt irgendwie Sprache voraus. Eine Sinnbeschreibung sagt aber noch nicht , was ist, vielmehr verfehlen die meisten Sinnbeschreibungen ihren Gegenstand als Begriff, man denke nur einmal an eine Sinnbeschreibung von Freiheit. Und was "ist" und im Begriff ausgedrückt wird, hat nicht irgendeine Bedeutung, sondern nur die ein. Man kann also auch nicht sagen, daß eine Seinsdefinition ein notwendiges Element von Bedeutung ist.

Aber Begriffe haben doch Bedeutungen!

Klar, aber alles hat mehr oder weniger deutliche Bedeutungen. Die Bedeutungen von Begriffen zu ermitteln ist gerade stets die Aufgabe. Umgekehrt kann man nicht von jeder Bedeutung einen Begriff ermitteln. Das Wort "Hier!" hat für den unmittelbar Betroffenen verständlicherweise eine Bedeutung, aber der Begriff eines unverwechselbaren "Hier" würde in eine besondere Situationsbeschreibung münden, die man schwerlich als Seinsdefinition sehr ernst zu nehmen hätte.

Begriff kommt doch von Begreifen, Greifen usw. Sagt uns nicht der ursprüngliche Wortsinn, was ein Begriff "ist"?

Das wäre der Versuch, etymologisch abzuleiten, was ist. Aber von einer ursprünglich Wortbedeutung führt kein Weg zu dem, was das etwickelte Wort als Seinsdefinition meint. Definition, so wie wir heute das Wort verstehen, hat nur im übertragen Sinn noch etwas mit dem ursprünglichen Greifen und Be-greifen zu tun.Definition heißte etwas so zu greifen, ergreifen,daß nicht nur eine Beherrschung im praktischen Umgang von etwas möglich wird, sondern seine umfassende Einordnung.

Definition ist also auch kein Unterbegriff von Sinn oder gar Bedeutung?

Definitionen benutzen natürlich Bedeutungen, aber sie lassen sich nicht einfach von Bedeutungen ableiten. Um eine Definition zu erstellen, bedarf es zusätzlich zu Bedeutungsunterstellungen noch einer metasprachlichen Verständigung im Diskurs: Begriffe als Seinsdefinitionen sind Verständigungsresultate über den vorausgesetzten Sinn von Worten, wenn eindeutige und gültige Bedeutungen gefunden werden sollen.

Sind Begriffe dann der wahre Bedeutungsgehalt von Worten?

Begriffe drücken das aus, was ein Wort in einem bestimmten Gegenstandsbezug unverwechselbat meint. Nehmen wir das Wort "Gurke". Sein Begriff beschreibt die biologische Frucht so, daß jeder Pflanzenkundige unverwechselbar weiß, was gemeint ist. Vom Begriff nicht erfaßt werden natürlich andere, übertragene Bedeutungen von "Gurke", so etwa, wenn ein Fußballexperte von einem Gurkenspiel spricht usw.

Sind Begriffe also die richtigen Namen und Zeichen?

Ntürlich müssen Begriffe ihrem Namen gerecht werden können und zeichenhaft Auskunft geben. Aber deswegen sind sie natürlich weder Namen noch Zeichen. Namen können wir beliebig erschaffen, die zugehörigen Begriffe dessen, was die Namen repräsentieren, sind nicht jederzeit möglich oder ausweisbar. Als Zeichen bezeichnen Begriffe etwas. Aber mit der Bezeichnung ist noch keineswegs etwas Unverwechselbares getroffen, es ist lediglich eine Vergegenständlichung erfolgt.

Dann bezeichnen Begriffe also Gegenstände, auf die Worte als Namen und Zeichen verweisen.

Insofern alle theoretische Erfahrung gegenständlich ist, kann man von dem Gegenstand eines Begriffes sprechen. Aber deswegen sind Begriffe noch keine Gegenstände, denn genausowenig wie sich eine Seinsdefinition zureichend aus Sinn überhaupt ableiten läßt, so auch nicht aus Erfahrung überhaupt. Ein Begriff kann in der Erfahrung repräsentiert werden, und im Bewußtsein zu einer Vorstellung kommen, aber deswegen ist dieses Repräsentierte und Vorgestellte nichts Empirisches, sondern etwas, was auch noch die Identität des Empirischen vorgängig ermöglicht, weil es das ist, was ist.

Aber ein Begriff muß doch als ein Objekt ausgewiesen werden können!

Aber dieser Ausweis ist noch keine Reduzierung auf das Objektsein. Gewiß findet alles Erkennen in einer Subjekt-Objekt-Beziehung statt, aber diese hat Voraussetzungen, das Subjekt hat Geschichte und ist komplex, das Objekt hat Eigenschaften und Hintergründe. Nur wer die Subjekt-Objekt-Spaltung für die Basis alles Wirklichkeitsverstehens überhaupt hält, kann die Auffassung vetreten, ein Begriff sei auf "Objekt" reduzierbar.

Aber meint ein Begriff nicht Objektivität?

Natürlich repräsentieren richtige Begriffe Objektivität, aber nicht alle Objektivität ist begrifflich. Wenn die Prämissen auf dem Tisch liegen und die Ableitungen aus ihnen transparent nachvollzogen werden können, haben wir schon Objektivität. Aber wenn jemand in dieser Weise objektiv, d.h. bedingt spricht, muß er noch keine Begriffe benutzen. Es genügen wahre Aussagen.

Aber statt Objektivität meint ein Begriff vielleicht objektive Realität!

Begriffe beziehen sich sehr wohl auf objektive Realität, insofern sie objektiv, d.h. bedingt eingeführt werden. Aber die objektive Realität selbst ist kein Begriff, sonst wäre ein Ato, das einen Fußgänger überfährt, ein Begriff.

Aber könnten Begriffe nicht Vorstellungen der objektiven Realität sein?

Begriffe sind Seinsdefinitionen und insofern auch Definitionen von etwas, was objektiv real ist. Insofern könnte man von Vorstellungen der objektiven Rrealität reden. Aber Vorstellungen der objektiven Realität gibt es viele, sie können wahr oder falsch, sie können eingebildet und bewiesens sein usw. Die Vorstellungen allein machen noch keinen Begriff.

Aber ohne Vorstellungen gibt es doch keine Begriffe!

Was heißt hier "es gibt"? Wenn Begriffe Seinsdefinitionen sind, dann müssen sie auch unabhängig davon gelten, was es gerade in der Welt als Realität gibt und als Gegebenes erfahren werden kann. Wir können uns von Begriffen Vorstellungen machen, aber wenn wir Begriffe von Vorstellungen ableiten wollten, dann müßten wir am Ende ein angeborenes Wissen in Anspruch nehmen, das nicht bewiesen werden kann. Verzichten wir darauf, dann verlieren wir uns in der Unendlichkeit möglicher Erfahrungen. Wie wollte man auch den Begriff "Spiel" aus der Empirie ableiten können angesichts der unübesehbaren Zahl unterschiedlicher Spielsysteme und Spielarten? Wo finden wir unter den realen Spielen das, was den Begriff "Spiel" unverwechselbar kennzeichnet?

Ist der Begriff demnach eine Idee, der sich viele Einzelvarianten zu einem Ganzen fügen?

So hat man in der platonischen Tradition sich den Begriff verständlich zu machen verucht. Aber Ideen sind Gedankensynthesen und wir können Seinsdefinitionen nicht aus Gedankensynthesen ableiten, geschweige denn, sie mit ihnen gleichsetzen. So können wir uns doch Ideen von Begriffen machen und die hier vorgetragene Übezeugung ist eine Idee des Begriffs. Umgekehrt können wir uns einen Begriff der Idee machen, und auf diesen Begriff kommt es an, wenn wir wissen wollen, was wir mit einer Idee meinen bzw, was eine Idee ist.

Aber sind nicht doch Seinsdefinitionen dann Begriffe von Ideen?

Auch damit kommen wir nicht weiter. Gemeint wäre ja damit, daß es sich um intersubjektiv evident definierte Ideen handelt.Aber wo bleibt dabei das Kriterium für den Bezug? Ideen haben ja die Funktion von Gedankenführungen, ein begriff davon wäre das, was man unter einer Gedankenführung versteht, aber noch nicht das, was etwas "ist". Das Resultat wäre dann ja lediglich das, was man unter einer bestimmten Gedankenführung in diesem und jenem Zusammenhang als das voraussetzt, was "ist".

Aber das eben versteht man doch unter einer Theorie! Sind nicht alle Begriffe Theorien?

Eben nicht, so wenig das wissenschaftlich orientierte Denker bis heute wahr haben wollen. Alles weltliche Wissen ist intersubjektiv immer schon theoretisch ausgelegt, wie entwickelt die Theorie auch sein mag, und wie alltäglich, vorwissenschaftlich, wissenschsaftlich oder relkigiös sie ausgerichtet ist. Aber Theorien sind immer bedingt auf unser Weltverständnis bezogen. Seinsdefinitionen aber sind unbedingt auf Widerspruchsfreiheit hin angelegt.

Aber steht nicht auch hinter dieser Auffassung vom Begriff eine Theorie von Sein?

Das wäre das größte Mißverständniß. Theorien haben es immer mit der Welt zu tun, die uns erkenntnismäßig "gegeben" ist. Eione Theorie der Theorie wäre immer noch ein intersubjektiver Verständigungsversuch darüber, wie Theorien insgesamt uns Weltr zugänglich machen. Eine Theorie vom Sein aber kann es nicht geben, weil diese die Voraussetzungen von Theorie überhaupt zu explizieren und transparent zu machen hätte. Das eben ist die Aufgabe von Seinsbestimmung. Und Seinsdefinitionen sind Resultate von unbedingten Seinsbestimmungen, nicht die von innerweltlich ausgerichteten, bedingten theoretischen Fragestellungen.

Was unterscheidet dann die Begriffe etwa des Wassers oder des Menschen von deren Theorien?

Eine Theorie des Wassers wäre etwa eine physikalische, chemische, biologische, wassertechnische, geologische usw,, die des Menschen eine anthropologische, biologische, psychologische, soziologische usw. Der Begriff "Wasser" aber legt fest, was in allem möglichen theoretischen Verständnis vorgängig mit "Wasser" gemeint ist, so daß nicht von ganz Unterschiedlichem die Rede ist. Desgleichen muß begrifflich klar sein, was "Mensch" heißen soll, wenn überhaupt erst sinnvoll von dem Menschen soll die Rede sein können!

Wenn schon Theorien keine Begriffe sind, dann gibt es doch Begriffe, die theoretisch sind!

Auch diese Begriffe tragen ihren Namen zu Recht, denn auch sie sagen etwas, was "ist". Sie sagen es allerdings nicht unbedingt direkt auf Sein bezogen, so daß man sie übersichtlich ableiten kann, aber indirekt über die je theoretische Welt bezogen. So gibt es fachwissenschaftliche, technische wirtschaftliche Begriffe usw.

Es gibt also unbedingte und bedingte Seinsdefinitionen als Begriffe?

Unbedingte Seinsdefinitionen lassen sich direkt auf den Überbegriff "Sein" beziehen, sind insofern reine Begriffe, bedingte Seinsdefinitionen beziehen sich über die Wirklichkeitsbedeutungen Welt, Ereignis, Intersubjektivität und Subjektivität indirekt durch Theorien vermittelt auf Sein. So gibt es neben den unbedingten reinen Begriffen unterschiedliche theoretische Begriffsarten.

Kann man die unterschiedlichen Begriffsarten klassifizieren?

Den Wirklichkeitsbedeutungen entsprechend gibt es innerweltliche Begriff der Realität, wie "Atom", "Sonne", Kosmos, Deutschland usw. Es gibt ereignishaft-zeitliche Begriffe wie "die Antike", "Calvinismus", "Amerikanische Revolution" usw. Es gibt auschließlich intersubjektive Begriffe wie Grammatik, Idee, Logik usw und auschließlich subjektive wie Einbildung, Wertung, Anschauung usw.Je nach Beobatungssituation, je nach Forschungszweck und theoretischer Fragerichtung sind all diese Begriffsarten durch unterschiedliche Voraussetzungen als das charakterisiert, was "ist", d.h. mit dem, was ist, bedingt verknüpft.

Kann man Begriffe auch nach ihrem Seinsbezug klassifizieren?

Eine Seinsdefinition ist ist immer unterschiedenes Sein, mithin ein Ausdruck des Soseins, auch wenn auf diese Ebene andere Seinsweisen projiziert werden können. Wir können also die Begriffe unterscheiden, die sich auf der Ebene des Soseins mit der Definition von Sosein beschäftigen und mehr oder weniger direkt analytisch mit Sein vermittelt werden können, von denen, die Seiendes begreifen, und zu diesem Zweck indirekt theoretisch oder kommunikativ interessiert als das, was "ist", auf Sein zielen. Das Dasein ist zwar der Ort aller Seinsdefinitionen, entzieht sich aber in seiner individuellen Einmaligkeit aller Definierbarkeit, muß deshalb als begrifflich uneinholbar gelten, was dann auch für Transrealität usw gilt.

Aber die Begriffe "Dasein", "Transrealität", "Transintelligibilität" usw. gibt es doch!

In der Tat bilden wir diese Begriffe in Verfolgung der Frage nach dem Sinn von Sein. Aber, das, was mit ihnen gemeint ist, ist qualitativ dem Begrifflichen so fremd, daß die Andersartigkeit nur angezeigt werden kann, nicht mehr im Begriff adäquat dargestellt. Der Begriff ist nur im Sosein zu Hause, das Seiende vermag er mittels Ausdifferenzierung von Fragezusammenhänge bedingt wissenschaftlich und technisch stillzustellen.

Wir können also Begriffe im weitesten Sinn nach ihren Wirklichkeitsbedeutungen und Seinsbezügen ordnen?.

Wenn wir dabei nicht vergessen, daß viele Äußerungen und Ausdrücke nur fälschlicher Weise mit Begriffen in Verbindung gebracht werden, in der Tat aber begriffsunfähig sind. Es hat z.B. keinen Sinn, Fragen, Wertungen, Gefühlsaußerungen, überhaupt beliebige Sätze oder Texte unbedingt mit Begriffen in Verbindung bringen zu wollen. "Der Wein ist gut!" ist z.B. eine subjektive Aüßerung des Daseins und hat nur insofern mit Begriffen etwas zu tun, als "Wein" theoretisch und empirisch als der Wein, der er "ist", definiert werden kann, und "gut", als das Gute, als das es als etwas Gedachtes "Ist".

Nach welcher Methode wird aber die Begriffszuordnung als Typus vorgenommen?

Nach keiner bestimmten Methode. Klassifikation ist Klassifikation, und da gibt es die alte Regel: Genus proximum und differncia specifica, d.h. es gilt, den nächsten Überbegriff zu finden und die nächste Abgrenzung.

Aber die Überbegriffe können doch ganz unterschiedlich konzipirt sein!

In der konkurrieren da heute immer noch unterschiedliche Universalmethoden, so als ob es gälte, unterschiedliche Wirklichkeiten zu identifizieren. Die analytische Methode setzt auf explizite Prämissen und strenge Ableitbarkeit. Die semantische deutet Bedeutungen, die phänomenologische Phänomene, die empirische Fakten und die dialektische versucht, Prämissen in Ganzheitszusammenhänge einzubrinegn. Begriffe als Seinsdefinitionen folgen keiner dieser einseitigen Verfahrenswege, weil sie allen gleicherweise genügen.

Wie können Seinsdefinitionen methodisch universal sein?

Weil sie allen unterschiedlichen Universalmethoden gerecht werden. Analytisch ist der ganze Systemaufbau als Seinszuordnung, auch wenn die theoretische Vermittlung noch so komplex und seinsbezogen undurchsichtig ist, es handelt sich also um eine analytische Position. Phänomenologisch ist die innerweltliche Modellabgrenzung: Der Begriff der Sprache z.B. muß einer Wirklichkeitserscheinung entsprechen, wie es keine zweite gibt. Empirisch ist die genaue Verifikation und Berücksichtigung der Beobachtungssituation im zeitlichen Zusammenhang, semantisch das Ringen um die eigentliche Bedeutung und treffende Namensgebung und schließlich dialektisch die synthetische Zusammenfassung von Sinnbedeutungen zu weiterführenden Sinnbestimmungen.

Woher wissen wir aber, daß Begriffe als Seinsdefinitionen wahr sind?

Wenn alle Bedingungen der Möglichkeit einer Definition nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt sind. Bei bedingten, theoretischen Begriffen können wir das im Blick auf den Erfolg der zugrundeliegenden Theorie konstruktiv kontrollieren, der Begriff der Schwerkraft hat sich auf diese Weise von Newton bis Einstein konsensfähig verändert. Bei unbedingten, reinen Begriffen muß die Seinsrelation stimmen: Etwas, was im Blick auf Sein "ist", muß gültig definerit sein.

Aber was heißt "gültig definiert"?

Wenn innerweltlich eine präzise Abgrenzung erfolgt, ereignishaft der Kontext zureichend expliziert ist, subjektiv der richtige Namen indiziert wurde und intersubjektiv die korrekte Klassifikation, so daß alles zusammen eine unbedingte Abgrenzung von anderen Begriffen erfolgen kann.

Gelten diese Kriterien für unbedingte und bedingte Begriffe gleicherweise?

Auch in einer soziologischen Theorie etwa kann man berechtigterweise von einem gültigen Begriff, wie z.B. "Gesellschaft", nur dann sprechen, wenn Gesellschaft a) innerweltlich genau unterschieden bezogen ist auf einen bestimmten Objektbereich b) den zeitlichen Anschauungshorizont expliziert, dem sich die Konzeption verdankt oder von dem her er situationsunabhängige Geltung beansprucht, c) die Kriterien benennt, die Gesellschaft als Untergeordneter Typus von Lebenswelt überhaupt zu einer wissenschaftlichen Konstante machen und d) die Bedeutungsmomente namentlich im spezifischen Unterschied zu konkurrierenden Ähnlichkeiten wie "Geimeinschaft", "Kollektiv", "Milieu" etwa, zu treffen versteht.

Was kennzeichnet also einen gültigen Begriff?

Eine Seinsdefinition als gültiger Begriff ist immer eine bestimmte Relation zu anderen Begriffen in Bezug auf eine Sache. Diese Sache kann verfehlt werden. Ein gültiger Begriff hat weiter eine Extension, d.h. Angabe aller Variationen, in denen er erscheint, was unvollständig sein kann. Ein gültiger Begriff ist weiterhin ein eindeutiger Typus, der gültigen Oberbegriffen analytisch zugeordnet werden muß und ist namentlich ein Bedeutungsunikum, das mit ähnlichen anderen Bedeutungen nicht verwechselt werden kann. Beidemale können jederzeit Widersprüche auftauchen.

Wenn das so schwierig ist, weiß man wohl nie, ob ein Begriff korrekt ist oder nicht!

In der Tat können unbedingte, reine Seinsdefinitionen immer wieder als vordergründig erkannt werden, so wie theoretische oder historische Begriffe aufgrund wachsenden Wissens und besserer Kontrollmöglichkeiten sich innerhalb eines jeweiligen Denkrahmens wandeln können.

Warum brauchen wir überhaupt Begriffe, würden nicht Wörter, Sätze, Propositionen, Urteile, Diskurse oder Interpretationen genügen?

Die Antwort dürfte nicht überraschen, also noch einmal: Nur der Begriff verschafft intersubjektive Unvergleichbarkeit in allem, was sprachlich und gedanklich vermittelt wird. Grundsätzliche Verständigung über Sachen ist nicht möglich, wenn jeder unter den Worten, deren Sinn im Verlauf einer Verständigung umfassend unterstellt wird, Unterschiedliches und gar noch abwechselnd Unterschiedliches meint.

Aber die Leute verständigen sich doch auch ohne Rückgriff auf Begriffe!

Partielle Verständigung ist natürlich innerhalb eines bestimmten Sprachspieles immer möglich, auch z.B. so, daß bei Bedarf Ad-hoc-Definitionen eingeführt werden, die dann über eine gewisse Strecke der Diskussion Gemeinsames stiften können. Aber hier geht es um Grundsätzliches! Da tragen Ad-hoc-Definitionen immer nur bis zum nächten Diskurs, zum nächsten Symposion, zur nächsten Tagung, zur nächsten Kampfkonstellation. Am Ende bewegt sich alles in geistigen Subkulturen, deren gemeinsames Band dann in der Not der Orientierungslosigkeit als Kommunikation, Dialog oder Gespräch angegeben wird.

Aber warum sollten wir es nicht bei der Kommunikation, dem Dialog und dem Gespräch belassen?

Ganz einfach, weil diese Basis nicht funktioniert. Wie die Postmoderne inzwischen zur Genüge gezeigt hat, reicht sie nicht aus, das zu ersetzen, was nur der Begriff liefert: Unverwechselbare Klarheit über das, was "ist". Ein Satz sagt, eine Proposition behauptet, ein Urteil begründet darüber nur etwas Beliebiges. Im Diskurs gibt es keine konsensfähig gültigen Antworten, wenn nicht Seinsdefinitionen wenigstens unterstellt werden, auf die man sich gemeinsam beziehen kann.

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HISTORISCHES:

Seitdem Heraklit und Parmenides den Logos entdeckten, ohne den ihnen empirische Erkenntnis der Natur (physis) sich zu keiner Einheit fügen wollte, herrscht Unklarheit über das, was ein Begriff "ist". In der Folgezeit wurde mehr oder weniger mit Begriffen gearbeitet, manchmal wurden sie verabsolutiert, manchmal aber auch bekämpft, doch nur ganz selten wurde versucht, eindeutig zu bestimmen, was mit dem Wort "Begriff" eigentlich meinend unterstellt wird, wenn man es verwendet. Daß Begriffe den Anspruch auf Seinsdefinitionen erheben, ist nur ganz selten bewußt gewesen, und was man unter Seinsdefinitionen zu verstehen hat, noch viel seltener, wenn überhaupt. Platon und Kant sind da wieder die ganz großen Ausnahmen. Indem Platon im Anschluß an Heraklit und Parmenides die Frage nach dem wahren Logos stellt, praktiziert er erstmals Begriffsbestimmung als Seinsbestimmung und entdeckt dabei die Dialektik. Weil das alles aber im Rahmen eines Erkenntniszusammenhanges geschieht, der auf die Wahrheit von Ideen ausgerichtet bleibt, wird der Logos nicht als das, was etwas "ist", explizit definiert. Nur in bestimmten Zusammenhängen beschäftigt sich Platon mit dem, was "ist" und versucht dessen Sinn zu klären. Kant wiederum fragte nach der Wahrheit der Dialektik und entdeckte dabei die Begriffe neu als das,was erkenntnismäßig apriori vorgegeben ist. Auch kannt bewegt sich nicht außerhalb des Erkenntnisrahmens und will von Seinsdefinitionen nichts wissen. Faktisch aber handelt es sich bei den von ihm entdeckten transzendentalen Kategorien um Letztbegriffe, die das erkennbar machen, was "ist" und sein kann. Definition heißt ihm in diesem Sinn auch "Einen Begriff in seinen Grenzen darstellen".

Die Logosvergessenheit beginnt mit Ausdifferenzierung der Philosophie in Spezialfächer durch Aristoteles. Die Logik ist von nun an als eine Spezialdisziplin für den Logos zuständig und verliert sich bald in formalen Bestimmungen, das Ganze mehr und mehr aus den Augen verlierend. Begriffslogik wird zur Prädikatenlogik, die Begriffe untereinander formal zu vermitteln suchte. Existenzfragen wurden in eine sogenannte Modallogik abgeschoben, die je nach Realitätsverständnis unterschieden aber auch nur für formale Fragen der Existenz kompetent sein konnte. In dem Maße, wie auch das Seinsverständnis zu einem innerweltlichen Dingverständnis mutierte, gerät die Begriffsbeschäftigung langsam zu einer Begriffshuberei, die dann in der Scholastik des Mittelalters den Platz einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Realität usurpierte. "In spanische Stiefel eingeschnürt" erinnert sich noch Goethe im Faust an eine traditionelle Logik, die sämtliche Bezüge zur realen Außenwelt verloren hat und sich nur noch mit sich selbst beschäftigt. Erst das entstehende Selbstbewußtsein der Fachdisziplinen mit der Renaissance machte den Weg frei die Selbstreflexion der Logik und deren Etablierung als eigenständige Disziplin, die es nur noch mit formalen Wahrheiten zu tun hat, nicht mehr mit dem Sein. Das Begriffsdenken war damit zu einem ausschließlichen Konditionaldenken geworden. Es interessierten nur noch "Wenn - Dann- Beziehungen". Die Was-Frage wurde ausgeschieden, für das, was "ist", war die Logik nicht mehr zuständig. Wer aber dann? Die Antwort blieb unter den Philosophen umstritten.

Mit der Emanzipation der Logik zu einer eigenständigen Disziplin, wird die Ist-Frage heimatlos, insofern sie nicht einfach einer materialen Logik zugeschrieben wird, die sich zum Gesetzgeber der Natur aufschwingt, wie in der Stoa. Aber natürlich beansprucht die Logik als die intersubjektive Instanz par excellence weiterhin das Primat auf die Ist-Frage, auch wenn sie allmählich immer mehr den Kontakt zu den zunächst noch metaphysischen, bald aber auch wissenschaftlichen weitergehenden Seinsüberlegungen verliert: Weil Wirklichkeit, Sein und Wahrheit nicht unterschieden werden, geraten im Mittelalter Begriffe zu Prinzipien, die logische Klassifikationen erlauben, in dieser Form aber im Anschluß an die Kategorienlehre des Aristoteles auch gern auf die materiale Schöpfung übertragen werden, so als ob Gott Logiker gewesen wäre. Mit der erkenntnistheoretischen Wende seit John Loccke und spätestens John Stuart Mill geraten Begriffe in den Händen von Logikern immer mehr in die Rolle von Garanten intersubjektiver Evidenz. Begriffe sollen einen vorgängigen Konsens stiften, der Verständigung ermöglicht. Weil aber der Seinsbezug langsam in Vergessenheit gerät oder als metaphysisch von Logikern relativiert wird, nehmen die Begriffsbegründungen schnell einen pragmatischen Charakter an. Am Ende handelt es sich nur noch um Zweckdefinitionen, wenn Rudolf Hermann Lotze z.B. in seiner Logik von 1842 immer noch wie üblich pflichtgemäß mit der Lehre des Begriffs beginnt, dann ist zwar in diesem Zusammenhang erstaunlich viel von Wirklichkeit die Rede, Lotze meint aber nur die empirische Wirklichkeit und der Unterschied zwischen Wirklichkeitsbedeutung und Seinsbestimmung ist ihm fremd. Die Begriffe stehen wie eeherne Prämissen im Raum, einen Seinsbezug aber vermögen sie nicht zu vermitteln.

Anfang des letzten Jahrhunderts versuchten Bertrand Russell und Alfred North Whitehead in ihrem monumentalen Werk "Principia Mathematica" im Anschluß an Frege Begriffe rein logisch zu begründen, Rudolf Carnap hat dann in den zwanziger Jahren auf eben der Basis intersubjektiver Evidenz in seinem "Der logische Aufbau der Welt" ein Begriffssystem zu entwickeln versucht, das Welt und Logik mittels Begriffen vermitteln sollte,mußte dabei aber auf empirische und phänomenale Ausweisungen Bezug nehmen, was im Fotrgang der Bemühungen um eine reine Wissenschaftssprache bald keinen Bestand mehr haben konnte. Entdeckt wurde die Metsprachensemantik (Tarski) und die Logik wurde so von inhaltlichen Beimischungen gesäubert (Williard van Orman Quine), daß für pseudowissenschftliche Begriffsdefinitonen innerhalb ihrer Grenzen bald kein Platz mehr war. Nach dem spektakulären sogenannten "Linguistic Turn" in der Nachwirkung von Ludwig Wittgenstein und John Austin schien es in der Logik endgültig um den Begriff geschehen zu sein. Man wußte nichts mehr mit ihm anzufangen, weil man allen möglichen Bezugspunkten den Abschied gegeben hatte. Statt dessen war noch von Sätzen und Propositionen, Sprachspielen und Kontexten, Zeichen und Interpretationen, Informationen und Diskursen die Rede. Am Ende räumte Donald Davidson gar mit der traditionellen Gegenüberstellung von Faktizität und Konzeptionalität auf, weil es seiner Auffassung entsprechend (gegen Quine) keine konzeptionsfreie Faktizität gibt. Die jüngere Rehabilitierung des Begriffs bei Brandom und McDowell ist noch ganz in diesen Auffassungen befangen. Begriffen sollen zwar normative Implikationen entnommen werden können, aber nur so, daß sie mit dem späten Wittgenstein auf bestimmte exemplarische Praktiken zurückgeführt werden. Von Sein ist nicht die Rede.

Wenn so die Logiker und analytischen Philosophen dem Begriff den Abschied gegeben haben, weil sie mit dem Sein nichts mehr anfangen können, und wenn sie ihn rehabilitieren, nur noch auf Praxis rekurrieren, bewegte sich die Metaphysik bis zum Anfang des neunzehnten Jahrhunderts in den Bahnen einer Wesenslogik, deren Vorbild Hegel war und die es erlaubte, Begriffe als Wesenheiten geistiger Totalitäten zu begreifen.Wesenheiten galt es zu verstehen und aus dem Ganzen dialektisch zu entfalten, Ihr Seinsbezug war durch eine Logik vermittelt, die das Ganze als geistigen Entwicklungsprozeß durchschaut und verständlich anzueeignen weiß. Die politische Geschichte des zwanzigsten Jahrhundert mit ihren totalitären Tendenzen ist nicht zu verstehen ohne den Hintergrund dieser metaphysischen Begriffswelt. Der Marxismus mit all seinen Folgeerscheinung steht ganz im Bann Hegelscher Begrifflichkeit, und der Faschismus hat Volk, Rasse, Staat usw überwiegend in Hegelschen Kategorien gedacht, soweit es um die Legitimierung primitiver rassistischer Dogmen ging. Selbst die Philosophen von 1968, die sogenannte Frankfurter Schule, steht im Banne dieses Denkens, wenn sie z.B. in einer sogenannten "Negativen Dialektik" (Adorno) dem Ganzheitsdenken den Abschied gibt, indem es dieses negativ umgestaltet. Auch in der Negation bleiben die Ganzheiten (Kapitalismus, Instrumentelle Vernunft, bürgerliche Innerlichkeit usw) eine Macht, die soweit reicht, daß von Begriffen und Begrifflichkeit nur noch verächtlich gsprochen wird. Begriffe sind Instrumente bürgerlichen Denkens, kritisches Denken hat dialektisch zu sein, wenn auch negativ dialektisch. Diese Haltung reicht bis hin zum jüngsten Jürgen Habermas. Sie ist ssowie die Haltung des späten Heidegger, der seine Existentialien schon in "Sein und Zeit" nicht mit Begriffen verwechselt wissen wollte und anschließend sich geweigert hat, jemals einen einzigen Grundbegriff systematisch, d..h. mit Rückgriff auf den Satz des Widerspruches, zu definieren. Heidegger und Adorno haben gleicherweise das sogenannte identifizierende Denken als seins- , d.h. dem Gestell verfallen (Heidegger) und verdinglichend (Adorno) für sich zurückgewiesen.

Neben den Logikern und Metaphysikern konnten aber die Wissenschaftler innerhalb ihrer Theorien nicht auf Begriffe verzichten und haben mangels philosophischer Unterstützung oft auf eigene Faust versucht, die eigene Begrifflichkeit zu klären. Daß dabei keine Seinsdefinitionen zur Debatte standen, versteht sich von selbst, war doch die Orientierung rein empirisch ausgerichtet. Aber es etablierte sich doch so etwas wie eine Wissenschaftslogik, die versuchte, produktiven wissenschaftlichen Fortschritt zu rekonstruieren und auf seine Bedingungen der Möglichkeit hin abzufragen. Meistens aber waren es Forscher selbst, die auf dem Höhepunkt ihrer experimentellen Erfolge den Weg beschrieben, dem sie diese verdanken. Naturwissenschaftler entdeckten so, daß ihre fraglos unterstellten Begriffe theoretische Modelle sind, deren reale Existenz problematisch ist. Sie versuchten auch Begriff funktional zu deuten und mit objektiven Materiestrukturen zu vermitteln. Schließlich bot sich eine universale Systemtheorie (Luhmann) an, jenseits standardisierter Experimentaldefinitionen (Hempel/Oppenheim) den wissenschaftlichen Systemgedanken schon in die wissenschaftliche Begrifflichkeit so zu integrieren, daß objektive Realität und subjektiver Zugriff wechselwirkend zu einer Einheit gebracht werden, wobei dann allerdings offen bleiben mußte, wie die Möglichkeit, zu all solchen Systemabläufen immer noch Stellung nehmen zu können, zu erklären ist. Neben den Naturwissenschaften haben auch die Geisteswissenschaften seit Dilthey versucht, sich ihre eigene Begrifflichkeit zu schaffen, die auf Leben und Subjektivität zu gründen waren, weil der Geist nun mal nicht in der Realität direkt vorkommt. Alle geisteswissenschaftlichen Bemühungen bis hin zu Hans Georg Gadamer haben es aber nur bis zur eventuellen Konzeption von Typen gebracht, die verstanden werden konnten, erklärt aber eine offene Flanke zu den naturwissenschaftlichen Bereichen hatten. Geisteswissenschaftliche und naturwissenschaftliche Begriffe schienen unvereinbar miteinander.

Es ist das ganz große Verdienst Max Webers, gezeigt zu haben, was ein wissenschaftlicher Begriff so ist, daß er mit einer Seinsdefinition vereinbar ist. Im Anschluß an Windelbands Unterscheidung nomothetischer und ideographischer Wissenschaften hatte der Neukantianer Heinrich Rickert 1903 versucht, in seinen "Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung" , einen einheitlichen Wissenschaftsbegriff zu erstellen, indem er naturwissenschaftliche Begriffsbildung auf objektive Gegenstände bezog, geisteswissenschaftliche aber als kulturwissenschaftliche auf Werte. Im Rickertschen Kosmos war das Sein ein Dualismus aus Objektwelt und Wertwelt, fraglos eine Verkürzung von Seinssinn aufs Innerweltliche. Max Weber machte diese Verkürzung nicht mit, konnte aber in striktem Bezug auf die logische Kluft von Sein und Sollen aber klären, wie wissenschaftliche Objektivität so möglich ist, daß dabei keine willkürlichen philosophischen Vorentscheidungen getroffen werden. Im Unterschied zu den meisten Naturwissenschaftlerns seiner Zeit bewegte sich Max Weber, von Haus aus Ökonom, souverän auch in den Sozial- und Geschichtswissenschaften, und hatte damit die Dimension der Ereignishaftigkeit in einer Weise im Blick, wie niemand vor ihm. Noch immer arbeiteten doch vor allem die deutschen Historiker mit Hegelschen Wesensbegriffen und die jungen Sozialwissenschaftler hielten es nicht anders , standen sie doch alle entweder in der Tradition von oder in Auseinandersetzung mit dem Marxismus oder rechtshegelschen Staatsdenkern. Auf der anderen Seite gab es Ökomnomen, wie Karl Menger, oder Soziologen, wie August Comte oder Historiker wie Hypolite Taine, welche die Sozial- unmd Geschichtswissenschaften zu Naturwissenschaften machen wollten.

In dieser Situation konzipierte Max Weber den Idealtypus als eine Begrifflichkeit, die nichts mehr mit einer Wesenheit gemein hatte, aber doch so intersubjektiv evident ist, daß er wissenschaftlichen Konsens deshalb stiften kann, weil er reale Bezüge herstellt. Wie hat sich Max Weber das gedacht? Auf der einen Seite wußte Max Weber, daß er bei dem Studium etwa des Calvinismus, dessen Begriff nur stilisiert und pointiert voraussetzen konnte, wenn es galt, gewisse soziale Kausalbeziehungen zu analysieren. Auf der anderen Seite aber konnten die Kriterien dieser Stilisierung in Grundbegriffen verankert werden, die die Bedingungen der Möglichkeit von Calvinismus im weistesten Sinn berücksichtigen. Indem der Forscher in Erinnerung dieser allgemeinen Grundbegriffe z.B. der Herrschaft, des Wirtschaftens, des Lebens usw. seine historische Faktizität diagnostiziert und vergleichend Folgerungen anstellt, weiß er, daß er es mit seinen eigenen Konstruktionen zu tun hat, und nicht mit der Wirklichkeit selbst. Aber er weiß auch, daß er auf diese Weise bedingtes, objektives Wissen gewinnen kann, das über die soziale und geschichtliche Welt Auskunft gegen kann. Max Webers Idealtypen sind also auf eine doppelte Weise mit dem Sein verbunden, auch wenn niemals bei ihm direkt von Sein die Rede ist: Auf der einen Seite werden reale kontrollierbare Zusammenhänge erforscht, die dehalb "sind", weil sei entweder real in der Welt vorkommen oder bedingt reproduziert werden können. Zum anderen wurzeln die dabei unterstellten Bedeutungsskriterien in umfassenden Letztgegebenheiten, die natürlich ihrerseits hinterfragt und korriegiert werden können. Entscheidend ist, daß der Idealtypus als "ereignishafter" Begriff seinen doppelte, sowohl empirischen wie theoretischen Ausweis als Seinsdefinition hat: Zum Empirischen hin ist er mit dem innerweltlichen Sein theoretisch vermittelt durch die Fragestellung und die vorausgesetzte grundbegriffliche Hypothetik. Zum Sein hin als Sosein ist er durch die transzendentale Ausrichtung der Grundkategorien offen. Max Weber hat in diesen Zusammenhängen nie den Terminus "transzendental" verwendet, aber an einigen Stellen macht er unmißverständlich klar, daß er Vollständigkeit seiner Letztbegriffe anstrebte und auf dem Boden der neukantianischen Wertphilosophie, auf dem er sich selbstverständlich bewegte, auch eine einheitliche Systamatik letzter Werte explikativ, nicht normativ, für möglich hielt.

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Letzte Änderung dieser Seite: 26.06.2003